Einlass: 19:00Uhr
Beginn: 20:00 Uhr
Lafote: Facebook | Bandcamp | Soundcloud
Botschaft: Facebook | Bandcamp
Lafote:
Wenn sich dort draußen der wütende Mob wieder im eigenen Angstschweiß badet, sich im Selbstmitleid suhlt, dann setzen sich LAFOTE erst einmal ruhig dem Treiben gegenüber. Nur, um im nächsten Moment die Tobenden ihrer eigenen Lächerlichkeit preiszugeben: röhrend und laut, dann filigran und gedämpft, in jedem Fall wohlüberlegt. Die Hamburger Band bespielt genau jene Schauplätze gesellschaftlicher Zerrissenheit, an denen wir alle uns immer öfter wiederfinden.
LAFOTE haben diesem ganzen Schwachsinn lange genug zugesehen. Die Band – bestehend aus Jakob Groothoff (Gesang/Gitarre), Malte Zimmermann (Schlagzeug) und Stefan Kühl (Bass) – gab bereits im Jahr 2013 erste Lebenszeichen von sich. Gemeinsam mit TRÜMMER fuhren sie schließlich im November 2014 aus Hamburg hinaus, um die Selbstbefreiung zu besingen. Dann, gerade auf dem Sprung, während die TAZ sie in ihrem Pop-Blog schon als Post-Punk-Hoffnung neben Künstlern wie ISOLATION BERLIN erwähnte, nahm sich die Band raus, entschied sich für die Zeit.
Zeit, um weiter Konzerte zu spielen, um die STERNE auf deren Tribute-Compilation zu covern („Wahr Ist Was Wahr Ist“). Nach einer kleinen Tour Ende 2017 fuhr die Band schließlich mit Produzent Helge Hasselberg (LEONIDEN, TRÜMMER) ins Sandraum Studio nach Großenrade, um ihre bis dahin erdachten Songs als Album aufzunehmen: „FIN“.
Inzwischen ist auch das Jahr 2018 fast schon ganz verbraucht, ungewöhnlich viel Zeit ist also vergangen, doch gäbe es keinen besseren Moment für das Erscheinen von „FIN“ als das JETZT. Das Debütalbum handelt von genau jenen Dingen, die uns alle angehen, die jeden Tag nerven, die überfordern, die nicht selten verschlingen und bisweilen auslöschen. „FIN“ trifft exakt das plagende Gefühl des Immer-schneller-Werdens und Verlorenseins der Jetztzeit und fasst seine Facetten in elf Songs.
Jakob Groothoff wühlt sich dabei in seinen Textzeilen durch den ganzen Alltagswahn, durch die ganze Scheiße, und macht klar, dass es sich hier um seine eigenen Erfahrungen handelt, wenn er die ersten Zeilen des Openers „Alles Liegt In Scherben“ formuliert: „Ich habe keine Kraft mehr / und ich habe auch keine Zeit / und es hat keinen Ort, den ich mir leisten kann“.
Ebenso wie JOCHEN DISTELMEYER erweist sich Groothoff als eindringlicher Beobachter seiner Umgebung. Doch Groothoff inszeniert sich nicht als intellektueller Beau, sondern gibt seine Gedanken mit einer kraftvollen, direkten Poesie wieder. „Ich habe einen Knoten in meinem Kopf und ich weiß nicht, was ich tun soll“, so die Formel der Selbstaufgabe, die er in „Knoten“ zehn, zwanzig, dreißig Mal besingt.
Über LAFOTE zu sagen, sie würden nach Hamburg klingen, wäre deshalb eine allzu schlichte Vereinfachung, würde der Band nicht gerecht werden. Natürlich kann man BLUMFELD oder die STERNE hier an vielen Ecken erkennen, wenn man möchte, das leugnet auch niemand. Dennoch kreieren LAFOTE eine neue Wut, die weit brachialer und erschütternder daherkommt. In der Essenz konzentriert sich die Band auf die Tugenden des Post-Punk mit vielen, kleinen melodischen Momenten hier und da.
Stefan Kühl wuchtet mit seinen Bassläufen die Songs voran, steigt dann gezielt ebenfalls auf die Melodien ein, um diese wieder konsequent zu zerstören. Gemeinsam mit dem dosiert verspielten Schlagzeugspiel Zimmermanns hält das die Band an, schneller zu machen, weiter zu gehen, hinein in die Atemlosigkeit, hin zur durch und durch physischen Erfahrung, wie man sie jüngst von DIE NERVEN oder FRIENDS OF GAS erfahren durfte.
Wie diese schälen sich LAFOTE raus aus jener stumpfen Bequemlichkeit, die sich irgendwann so dick und breit gemacht hat. Eine Bequemlichkeit, die die Arschlöcher und Wutmobs viel zu lange zufriedenließ und selbst jetzt noch Mantras der Selbstgefälligkeit bemühen möchte: Alles gut so, wie es ist, ja, ja, ja. „FIN“ ist eine scharfsinnige Erklärung, die sich ausgesprochen dagegen sträubt.
(David Hutzel)
Botschaft:
Erste Beobachtung: Diese Platte klingt wie unter Wasser aufgenommen. Zweite Beobachtung: Alles auf „Musik verändert nichts“ klingt sehr homogen. Ein ganz eigener Sound, kobaltblau und kirchengelb, oder wie Neil Young (auf den sich bei Botschaft alle einigen können) mal sagte: „It’s all one song“. Dritte und letzte Beobachtung: Keine deutsche Band macht momentan Musik, die auch nur entfernt an Botschaft erinnert. Um eine ungefähre Entsprechung zu finden, muss man zurückgehen ins Jahr 1998, als die Gruppe Go Plus ihre LP „Largo“ veröffentlichte, die damals dem ein oder anderen Kritiker gefiel und unter anderem mit einem „Song for Brian“, einem Lied für Brian Wilson, glänzte.
Doch wie klingen Botschaft auf ihrem Albumdebüt „Musik verändert nichts“? Der Gesang von Malte Thran, der als einziges Bandmitglied in Berlin wohnt, ist stellenweise wunderbar effeminiert und zärtlich, die sehr konkreten Texte, mehrheitlich von Thran geschrieben, könnte man als melancholisch bezeichnen – oder als bloße, bis ins Detail ausgearbeitete Schilderungen der Verhältnisse (und als rücksichtslose Kritik dieser Verhältnisse), in denen wir gezwungen sind, zu leben. Keine Hoffnung, die durchschimmert und keine Liebe als Antwort auf irgendetwas: „Schöne Idee“, ein Lied über die Liebe, wird nicht gut ausgehen. Ganz klar: Es geht ums Scheitern – und dies ganz sicher nicht im Sinne von „Scheitern als Chance“. Auch für die Texte gilt: Niemand sonst schreibt heute so etwas wie „Treptower Park“ oder „Trotzdem“. Die Musik: Soft Rock, Yacht Rock, höflicher Gitarren-Pop, mit „Indie“ hat das nichts zu tun. Es ist ein lockerer, leichter Klang, deren Lyrics mit der Art der Musik brechen. In „Atom“ gibt es ein kurzes, schüchternes Gitarren-Solo, Botschaft haben drei Gitarristen (wie Iron Maiden), die ähnlich ökonomisch und sensibel spielen wie Peter Tiedeken (Ex-Robocop Kraus, Ex-Station 17, Thai Wolf) den Bass bedient.
Was Botschaft nicht bedienen, ist die Idee von einfachen Lösungen, von Utopien. Botschaft beschreiben ihre eigenen Biographien („Sozialisiert in der BRD“, „Hinter dem Haus“) und fangen damit auch die Härten ein, die man in der Kindheit und Jugend hinnehmen musste und die bis heute Einfluss auf unser Leben nehmen. Im formidablen Video zu „Sozialisiert in der BRD“ spricht die Erinnerung: Schlingensief, Boris Becker, Henry Maske, Rudi Völler, Stefan Raabs „Vivasion“ und Frank Spilker mit Zahnlücke, „Piratensender Powerplay“, Springsteen, Nina Hagen und die „Mini Playback Show“. Eine Jugend, beschädigt, noch naß und glänzend vom Tau der Vergangenheit. Botschaft wollen veranschaulichen, was wahr ist und, durchaus in Brechtscher Manier, etwas Aufklärendes singen (wozu dann wieder der Bandname der Hamburger passt). Während der Aufnahmen zu „Musik verändert nichts“ hörte die Band fast ausschließlich Joni Mitchell und Steely Dan. Und so erschütternd wie ein guter Steely-Dan-Song ist auch „Daseinszweck“: „Wenn sie morgen aufwacht, ist er weg / Das schönste Gefühl / Begründet keinen Daseinszweck“. Ein bröckelndes Reich, ein klimatisierter Alptraum in 34 Zeilen. Jetzt Botschaft hören!
(Jan Wigger)
“Wenn man sich schon Botschaft nennt, macht es Sinn auch eine zu haben: Die so betitelte, erst in diesem Frühjahr 2016 gegründete Band hat das: Malte Thran, Peter Tiedecken (Ex-Station 17 und The Robocop Kraus), Nils Kempen (Ex-Station 17 und Saboteur) und Holger Lüken (Ex-Tusq) sehen sich in der Sophisticated Pop-Tradition der 80er, Namen wie Scritti Politti und die Smiths werden als Referenzen genannt. Tatsächlich verstehen es Botschaft, ähnlich wie ihre Vorbilder, anschmiegsamen Synth-Pop mit Gesellschaftskritik zu verschmelzen. Das ist zwar nicht sonderlich neu – man denkt unweigerlich an Die Sterne und die ganze poppigere Schiene der sogenannten Hamburger Schule – aber dennoch gut gemacht. Das Stück »Niederlage« behandelt den Einzug der Konkurrenz in moderne Liebesverhältnisse und die daraus resultierende Wahrnehmung des Scheiterns in ebensolchen Verhältnissen als persönlichen Fehler.”
(SPEX)
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